Lean Bewerbungsgespräche - Keep it simple?

25.08.2017
KI generiert: Zwei Personen spielen Tischfußball in einem Raum mit entspanntem Ambiente. Im Hintergrund ist ein Werbebanner der Firma "sandstorm" zu sehen.

Strebt man heutzutage einen Jobwechsel an, läuft das Procedere i.d.R. wenig kreativ - von einfach bis sehr komplex - immer gleich ab. Anschreiben, Lebenslauf, Abschluss undArbeitszeugnisse werden routiniert überstellt und dann beginnt das Warten auf eine Zu- oder Absage: Erst für das Assessment Center, dann für eine Bewerberrunde, gefolgt von 2er Gesprächen und abschließendem Einzelgespräch. Bestenfalls hat sich der Personaler mit dem Lebenslauf des Bewerbers beschäftigt.

Welche Extreme Bewerbungsgespräche annehmen, sieht man in einem aktuellen Leseraufruf von Spiegel Online

Diese Herangehensweise kann getrost als Bewerbungskatastrophe bezeichnet werden und lässt die Frage aufkommen, ob Vorstellungsgespräche nach Schema F zeitgemäß sind?!

Die fähigsten Bewerber werden ohnehin direkt durch große Firmen abgeworben, ohne sich vorher die odysseeartigen Bewerbungsverfahren, mit skurrilen Onlineformularen, antun zu müssen. Wie also dann handhaben? Persönlich!

So geschehen bei meinem ersten Kontakt mit Florian und Tobias - ihres Zeichens Gründer von Sandstorm Media und alte Bekannte aus Abi-Zeiten. Dank Facebook blieben wir in losem Kontakt und so tauchte eines Tages Florian’s Gesuch nach einem Marketing/Sales-Mitarbeiter in meiner Timeline auf.

Kurzerhand schrieb ich Florian mit ein, zwei lockeren Sätzen an und erhielt prompt eine Antwort, sodass wir noch am selben Abend telefonierten und uns kurzfristig zum Mittagessen verabredeten.

Wenige Tage später fühlte ich mich in Stoffhose und Hemd etwas overdressed neben den Beiden in T-Shirts, Jeans und Sneakern. Auch sonst ist einiges anders, als es in Büchern beschrieben wird oder ich es aus bisherigen Vorstellungsgesprächen kannte. Nach kurzer Begrüssung und Sitzplatzsuche steigt Florian damit ein, dass ihm keiner die Beschreibung der eigenen Unternehmensphilosophie glaubt: Offene Unternehmenskultur - wirklich offen! Kein Buzzword-Bingo, keine Schönrederei - Einfach ehrlich, direkt und gemeinsam.

Alle unternehmensrelevanten Themen werden offen diskutiert - immer! Unternehmensrelevant bedeutet bei Sandstorm - so interpretiere ich es - nicht nur die Mitarbeiter mit einzubeziehen, sondern sie als Dreh- und Angelpunkt aller Handlungen zu betrachten. Diskussionsthemen sind bspw. Gehalt, Urlaub oder weitere Sonderkonditionen. 

Die Unternehmensphilosophie verhindert auch Hierarchien. Alle stehen auf der selben Ebene und haben das selbe Mitspracherecht. Es gibt keine “Das haben wir schon immer so gemacht”-Abwiegelungen von Vorschlägen. Im Sandsturm-Universum liefert jeder Sandstormer, so nennen sich die Mitarbeiter selbst, einen gleichwertigen Beitrag zum gemeinsamen Erfolg und wird entsprechend gleichwertig entlohnt. Ich denke, dass dies auf Dauer nur dann harmonisch funktioniert, wenn genau hingeschaut wird, wer als neues “Familienmitglied” aufgenommen wird und ob er oder sie “ins Team passt”.

KI generiert: Das Bild zeigt einen Mann, der auf einem Sofa sitzt und lächelnd an einem Laptop arbeitet. Der Laptop ist mit verschiedenen Aufklebern verziert.

Dabei geht es nicht um Schulnoten, Arbeitszeugnisse, Schwächen, Stärken oder die größten (Miss-)Erfolge, sondern um Empathie, Enthusiasmus, Begeisterung, Sympathie, gegenseitige Wertschätzung und echte Teamkultur. Egozentrische Karriere-Jäger, die die nächst höheren Sprosse auf der Karriereleiter suchen, sind hier falsch. Langfristige Mitarbeiterbindung ist wichtig. Positiv wird aufgenommen, dass ich bereits über 5 Jahre bei meinem jetzigen Arbeitgeber bin. Ich kann mich selber kaum an das Jahr erinnern. Florian hatte jedoch mein XING-Profil besucht und half aus. Das macht händische Lebensläufe vollkommen obsolet.

Im weiteren Verlauf unseres Gesprächs wird immer klarer, dass der Fokus bei der Personalsuche auf der interpersonelle Sympathie liegt. Wissen lässt sich einfach erweitern, das Wesen eines Menschen jedoch nicht verändern. Haben neue “Familienmitglieder” also die gleiche Denkweise und tragen sie zur vorhandenen Harmonie bei? Schlussum, es geht um den einzelnen Menschen und nicht um Humankapital oder Human Ressources, wie es im Businessprech verwendet wird.

Klassischer Weise sprechen wir auch darüber, was meine aktuellen Aufgaben sind und warum ich mich gemeldet habe. Erste ist im Speziellen notwendig, da die Position bisher nicht vorhanden ist. Eine gewisse Basis an Know-How ist somit essentiell. Letztere Frage war für mich schwer zu beantworten, fließen hierbei doch zahlreiche Faktoren in eine Antwort zusammen. Eine generelle Unzufriedenheit mit meinem Arbeitgeber kann und konnte ich nicht vorweisen. Nach kurzer Bedenkzeit kamen mir die Nuancen und kleinen Unstimmigkeiten in den Sinn, die per se nichts mit meinen Aufgaben, jedoch mit der zwischenmenschlichen Interaktion zu tun haben.

Die lockere, freundschaftliche Atmosphäre lies glatt vergessen, dass es um ein Bewerbungsgespräch geht. Nach kurzem Blick auf die Uhr und dem Schock darüber, dass ich gerade eine zweistündige Mittagspause hatte, mussten wir schnell zum Ende kommen. Wir verständigten uns darauf, uns kurzfristig telefonisch abzustimmen.

Auch in Zeiten, wo alles einfach, bürokratiearm und lean seien soll, kommt man zur Einschätzung der Persönlichkeit, Teamintegrität und Know-How nicht um ein Probearbeiten herum. Darum bin ich heute und morgen hier.

P.S. Ich trage heute ein Hemd ;-)

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