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Folge 23 - Resiliente Systeme in der Krise

Die Corona-Krise ist das aktuell vorherrschende Thema. Martin H., Tobias und Norbert Rost haben sich zusammen die Frage gestellt, was wir aus der Situation lernen. Was sind resiliente Systeme, wie helfen sie uns Krisen zu bewältigen und wie schafft man solch ein System?

Dass Digitalisierung dabei helfen kann, aber allein kein Allheilmittel ist, hat uns in der Diskussion nicht überrascht. Der Bogen zur Klimakrise schon eher. Welche Parallelen sehen wir und was sind unserer Meinung nach gute Ansätze, um durch die Krisen zu navigieren.

Falls ihr Fragen oder Anregungen habt, immer her damit: Tobi auf Twitter: @sandstorm_tobi Norbert auf Twitter: @Zukunftsstadtde

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Das Sandpapier ist ein wöchentlicher Podcast der Sandstorm Media GmbH. Wir erzählen aus unserem Alltag, was wir versuchen, anders zu machen und welchen Herausforderungen und Experimenten wir uns auf unserem Weg stellen.

Die Folge zum Lesen

Tobias
Willkommen zu einer neuen Folge vom Sandpapier, dem Weekly Podcast von Sandstorm, in dem wir uns jede Woche mit Themen und Herausforderungen und Experimenten aus unserem Alltag als Softwareunternehmen beschäftigen. Heute darf ich Tobias moderieren und habe zu Gast den Norbert Rost, hallo Norbert.

Norbert
Hallo

Tobias
und den Martin Hauke.

Martin
Hallo.

Tobias
Schön, dass ihr beide da seid. Heute soll es um das Thema systemische Resilienz in einer Pandemie gehen. Welche Lehren können wir aus der aktuellen Situation ziehen? Das scheint natürlich auf den ersten Blick erstmal etwas weiter weg zu sein von unserem Alltag als Softwareunternehmen, aber auf den zweiten Blick gibt es ganz viele Berührungspunkte, die wir mit dem Thema haben. Jetzt habe ich ganz viele tolle Begriffe verwendet. Wir steigen mal ein. Norbert, systemische Resilienz, was ist denn das und warum denkst du über sowas nach?

Norbert
Resilienz bedeutet für mich Widerstandsfähigkeit und ist das Gegenteil von Verletzlichkeit. Und die aktuelle Situation, in der wir uns reinbewegt haben, zeigt uns, dass wir sehr anfällig sind. Und mit wir meine ich jetzt vielleicht gar nicht so sehr den Einzelnen, das auch. Es gibt Leute, die sich gerade mit Viren anstecken und die dann ihre Verletzlichkeit sehr stark spüren. Aber wir sehen ja an den gesellschaftlichen Reaktionen, dass es noch ganz andere Systeme gibt, die da verletzlich sind. Und das ist so die Frage, die mich umtreibt. Also wie verletzlich sind Systeme und wie kriegt man die Widerstandsfähiger? Und die Frage nach der Stadt als System ist für mich deswegen wichtig, weil ich in einer Stadt lebe. Ich glaube, ihr macht das auch, oder?

Tobias
Ja, tun wir, wir leben alle drei, soweit ich weiß, in Dresden und zusätzlich zum Begriff der Resilienz, Norbert, wenn du noch mal kurz was zu sagen kannst, systemische Resilienz, was verstehst du dann da runter?

Norbert
Ich habe ab und zu diese Diskussion mit Menschen, die den Begriff kennen, die kennen den Fall aus der Psychologie und da bezieht sich dann also das Stichwort Resilienz auf einen einzelnen Menschen und wenn wir aber mal über den Einzelnen hinaus denken, sind wir halt ganz schnell beim System und eben so ein System wie eine Stadt und die Frage, wie macht man das widerstandsfähig oder die gesamte Gesellschaft oder auch die planetaren Systeme oder das Gesundheitssystem, also überall da, wo es um überindividuelle Strukturen geht, sag ich mal so und da hilft dieser Systemblickwinkel natürlich ganz stark, also ich persönlich komme auch so ein bisschen aus der Systemtheorie, da hat man interessante Facetten und Blickwinkel, die man so mit einbringen kann, um über solche Sachen nachzudenken.

Tobias
Okay, vielen Dank. Wir haben über Resilienz gesprochen, wir haben über systemische Resilienz gesprochen. Jetzt beschäftigen wir uns ja mit diesem Thema nicht zufällig, sondern es ist ja ganz klar, wir befinden uns aktuell in einer Situation, die alles außergewöhnlich ist. Die Corona-Pandemie mütet noch, möchte ich fast sagen, und beschäftigt uns, beeinflusst unseren Alltag. Martin, wie stellt sich denn für dich die aktuelle Situation dar, dass, wenn wir den Podcast in vielen, vielen Jahren nochmal hören, wir das noch einordnen können, worüber wir heute sprechen?

Martin
Also für mich persönlich ist es so, ich bin ja schon immer passionierter Stupenhocker, deswegen, ich merke es hauptsächlich im Umgang mit anderen Leuten, wenn man dann mal einkaufen geht, also man merkt schon, dass Leute langsam registrieren, dass es jetzt doch was Ernstes ist. Die Leute halten auf einmal Abstand, tragen Atemschutzmasken, wir sind gerade an einem Punkt, wo langsam wieder darüber nachgedacht wird, die Maßnahmen mal wieder zu lockern. Also Ausgangssperre haben wir ja nicht direkt, aber doch die Anweisung uns möglich, nicht mit anderen Leuten zu treffen.

Tobias
Kontaktverbot haben wir es genannt, ne?

Martin
Kontaktverbot, genau, genau, das haben wir momentan. Das heißt, ja, also ich mag es jetzt nicht daran, dass ich mich weniger mit Freunden treffe, also bzw. gar nicht mit Freunden treffe. Und Homeoffice halt, ja, das ist was, was wir uns leisten können, weil wir halt in unserem Arbeitsumfeld da keine größeren Probleme mit haben, also zumindest was die Arbeit angeht. Der eine oder andere hat damit schon ein bisschen Probleme, weil eben die soziale Interaktion fehlt natürlich.

Tobias
Und wir machen das Ganze jetzt seit Homeoffice vier Wochen, fünf Wochen.

Martin
Seit 15. März oder sowas. Das ist heute den 17. April, also seit einem Monat.

Tobias
Ja, irgendwie sowas. Norbert, wie geht dir das? Wie stellt sich die aktuelle Situation für dich dar?

Norbert
Ja, na persönlich kann ich mich jetzt auch nicht beschweren, ich bin es gewohnt von zuhause zu arbeiten, so Homeoffice-Kram. Schwieriger sind dann solche Geschichten wie Patchwork, wie mache ich das mit meinen Kindern, wann kommen die wohin, und sind die bei wem, die sind ja auch potenzielle Virenüberträger sozusagen.

Tobias
Sind Kinder immer, habe ich mir sagen lassen, aus persönlicher Erfahrung. Nochmal? Sind Kinder immer, habe ich mir sagen lassen, aus persönlicher Erfahrung, aus der Kita schon so einiges bekommen.

Norbert
Genau, genau. Da kann man das übersehen. Was mir ein bisschen Sorge macht, ist, dass manche Menschen derzeit ganz schön unter psychischem Druck stehen, glaube ich. Und die Situation ihnen zu schaffen macht. Und das führt zu etwas seltsamen Reaktionen teilweise. Also nach so langer Zeit, fünf Wochen haben wir gerade gesagt, merkt man das bei einzelnen Leuten. Ja, und jetzt beim Bäcker mich in die Schlange zu stellen und anderthalb Meter Abstand zum Vorgehenen zu lassen, das ist ja jetzt das Einfachste. Das schreckt mich jetzt nicht.

Tobias
ist aber für andere Menschen durchaus ein Thema, kann ich auch so nachvollziehen aus meiner persönlichen Erfahrung. Jetzt wollten wir ja über systemische Resilienz sprechen, also welche Lehren wir auch aus der aktuellen Situation ziehen können. Norbert, wir hatten uns kennengelernt im Kontext des Zukunftsstadtprojektes. Martin hatte da einen Vortrag von dir gehört und wir hatten auch dann den Hacking Politics Workshop zusammen gemacht, den du moderiert hast, wo wir darüber gesprochen haben, hey, wir sind Bürger einer Stadt, wir sind Teil dieses Systems Stadt hier in Dresden und was können wir tun, um das in unserem Sinne zu gestalten? Jetzt sind wir gerade in einer Situation, wo wir in großen Teilen ja passiv sind. Wir schauen darauf, welche Regelungsmaßnahmen werden erlassen und wie setzen wir die um? Und nichtsdestotrotz, Norbert, hast du dir Gedanken darüber gemacht, was diese Pandemie für Auswirkungen hat und wie resilient so eine Stadt ist? Was hast du denn da für Überlegungen gehabt in Bezug auf Dresden?

Norbert
Ich muss zugeben, dass jetzt das Pandemieszenario bei mir nicht ganz vorne stand. Aber die Frage nach Krisenszenarien und Einwirkungen auf diese Stadt, damit beschäftige ich mich länger, ja. Es gibt ja diverse andere Szenarien, die man denken kann. Und ich finde es gut, wenn wir jetzt angesichts der Pandemiesituation über andere Szenarien auch nachdenken. Also in Dresden haben wir schon öfter über Hochwasser nachgedacht, weil die Stadt am Fluss liegt und die Extremwetter da Auswirkungen hatten. Das waren immer so temporäre Ereignisse. Da waren einzelne Leute betroffen. Dann ging es aber immer wieder zurück zum Status Quo. Die Fragen oder andere Szenarien, über die wir nachdenken müssen, ist ja, wie sieht das mit Klimawandel aus, wenn das intensiver wird, wenn da Kipppunkte erreicht werden? Oder was machen wir, um sie nicht zu erreichen, auch in dieser Stadt? Die Frage Artensterben, die Frage Stromausfälle, die Frage Finanzkrisen. Es gibt diverse Krisen, über die wir nachdenken müssen, unsere Systeme, in denen wir sowohl warm eingebettet sind, bedrohen. Und das treibt mich länger um. Das ist ganz stark verbunden damit dieser Nachhaltigkeitsfrage, weil wir ja sehr unnachhaltig unterwegs sind als Menschheit auf diesem Planeten. Das wissen wir alle. Und wie wir ins Handeln kommen, das ist viel schwieriger. Ja, und dieses Zukunftsstadtprojekt, von dem du sprachst, das durfte ich ja für die Stadtverwaltung leiten. Das war ja Bundesforschungsministeriums finanziert. Das haben wir dann so übersetzt, dass wir die Bürgerinnen eingeladen haben, zu überlegen, welche Projekte würden sie denn gerne in dieser Stadt machen, um auch bestimmte Sachen zu erproben, Neuland zu erproben. Als Beispiel ist ja da diese Idee der Woche des guten Lebens in der Neustadt entstanden, wo das Projektteam sagt, wie würde das denn eigentlich funktionieren, wenn wir eine Woche lang in der Neustadt mal alle Autos rausnehmen aus dem System und dann mal gucken, wie wir damit klarkommen. Das fände ich eine sehr spannende Übung. Das wäre auch eine besondere Situation üben, aber gleichzeitig auch Raum zu schaffen für andere Formen des Lebens in so einer Stadt. Ja, in solchen Kontext war ich unterwegs. Und das, was wir jetzt haben, ist natürlich eine ganz besondere Übung. Das ist keine Freiwillige.

Tobias
Genau, das ist jetzt kein Gedankenexperiment mehr, sondern wir sind schon recht plötzlich in die Situation geworfen worden. Wie hat sich das System Dresden deiner Wahrnehmung nach geschlagen?

Norbert
Ja, bis jetzt ganz gut. Wenn man das messen will an die Frage, wie viele Infektionen es gibt, nähern wir uns ja gerade so der Null-Linie, das ist eigentlich so, ich glaube, einstellig, was jetzt Neuinfektionen waren die letzten Tage. Das heißt eigentlich ist Dresden nahezu virenfrei, könnte man so sagen. Aber spannend ist natürlich jetzt zu sehen, die Sperren bleiben ja, das Kontaktverbot bleibt ja erhalten, es wird nur etwas aufgeweicht. Und die Frage, wie die einzelnen Systeme damit umgehen, das ist ja weiter spannend zu beobachten. Also ihr habt euch mal eben in Homeoffice zurückgezogen, was bei Firmen, die mit digitalen Sachen arbeiten, leichter geht als zum Beispiel unsere Stadtverwaltung. Die ist auch sowas gar nicht vorbereitet und ist aber natürlich wichtig für das Funktionieren des Systems und ich glaube, da gibt es große Probleme, auch wenn wir die außen vielleicht gar nicht so genau sehen. Und da bin ich auf die Nachwirkung noch gespannt.

Tobias
Nachwirkungen? Was schwebt dir da vor? Was kannst du dir vorstellen?

Norbert
Naja, gewisse Verwerfungen, Unzufriedenheit bei den Mitarbeitern, unerledigte Anträge, die rumliegen, Sachen, die nicht weitergehen, weil Verwaltung ja sowieso schon nicht zu den schnellsten Systemen gehört, sag ich mal so, und durch so eine Ausnahmesituation jetzt noch mit ganz anderen Aufgaben belegt ist und nicht unbedingt zu den flexiblen Systemen gehört, die mal eben von Freitag zu Montag ins Homeoffice wechseln können. Das geht nicht. Und da bin ich gerade sicher, da gibt es hunderte Leute, die gerade zu Hause sitzen, die eigentlich in der Verwaltung arbeiten und das aber nicht tun können, weil sie zum Beispiel nicht digital aufgestellt sind, weil keine Laptops da sind, ganz banal, oder keine Lizenzen für die virtuelle Desktop-Umgebung. Es scheitert an ganz banalen Sachen, soweit wie ich da gehört habe und weiß. Und insofern ist das eine sehr gute Übung. Ob da ein Learning draus erfolgt, das muss man mal noch sehen.

Tobias
Dann stelle ich die Frage mal an Martin. Wir konnten ja sehr schnell reagieren in der Corona-Situation. Wie ist es bei uns abgelaufen? Wie sind wir in den Traum auf uns gegangen?

Martin
Also ich habe tatsächlich den direkten Anfang, also die Woche, wo das so richtig los ging, hatte ich Urlaub und habe das nur so peripher mitbekommen. Aber prinzipiell war es dann von einer Woche auf die andere so, okay, Leute, lasst mal Homeoffice machen. Also erst hieß es so, die Leute, für die es kein Problem ist, Homeoffice, dann haben wir übers Wochenende gesagt, nee, komm, wir machen alle Homeoffice. Die Infrastruktur dafür hatten wir ja prinzipiell schon, also wir haben Stack zum Rumtexten und wir haben Discord zum Quatschen und wir haben noch ein paar andere Tools, um Videos zu teilen oder halt Bildschirme zu teilen. Von daher war das recht unkompliziert. Wir haben unsere Morgenrunde ganz normal abgehalten, halt über Discord dann. Ich meine, vorher waren auch schon immer Leute remote zugeschaltet. Dadurch ging das recht unkompliziert, sage ich mal. Klar, wir haben auch unsere Learnings gehabt jetzt inzwischen, das hatten wir glaube ich auch schon eine Podcast-Volge darüber, wenn ich mich nicht irre. Die müsste heute Morgen rausgekommen sein, genau. Ja, super, ja, genau. Und ja, also ich muss sagen, ich fand es super entspannt. Ich hab dann halt mich hier auf meine Couch gesetzt und hab meinen Laptop auf den Schoß gesetzt und hab dann gearbeitet und nebenbei Kamera und Bildschirm angemacht, um die anderen zu sehen, die auch Lust hatten, ihre Kamera und ihr Bild anzumachen. Dann hat man sich eigentlich fast wie im Büro gefühlt. Genau.

Tobias
Also was du beschreibst, das sind ja diese Faktoren, die unser System jetzt konkret resilient machen, was so eine Krisensituation angeht, wir können plötzlich nicht mehr ins Büro. Also wir sind grundsätzlich arbeitsfähig, das System hält das aus. Es wirkt sich natürlich aus, ganz klar, da kann ich wie gesagt die vorherige Podcastfolge dann nochmal empfehlen, wie sich das konkret auswirkt und man spürt es in manchen Bereichen stärker, in anderen weniger, Norbert du hattest das Beispiel gebracht, für die Stadtverwaltung ist diese Herausforderung, sollen jetzt plötzlich von einem anderen Ort als unserem angestammten Arbeitsplatz im Büro arbeiten, eine ganz andere Herausforderung. Du hattest angesprochen, vielleicht das Thema Laptops oder Lizenzen für eine virtuelle Desktopinfrastruktur. Man kann es nochmal ganz kurz sagen, was ist das für die Hörer, die das vielleicht noch nicht gehört haben, virtuelle Desktopinfrastruktur.

Norbert
Naja, die Stadtverwaltung hat ja ein zentrales Netz, an dem hängen die Rechner alle dran und wenn man einen Rechner aus dem Rathaus rausschleppt und man will den woanders andocken, dann soll der halt natürlich über eine gesicherte Verbindung die Daten nur in dieses Netz übertragen und nur woanders hin und damit man die gleiche Umgebung dann auf seinem Laptop hat, egal wo der angeschlossen ist, als hätte man ihn im Rathaus angeschlossen, dazu braucht es halt eine entsprechende software-seitige Unterstützung und die Systeme, die da benutzt werden, die sind halt ganz häufig proprietär leider und damit lizenzabhängig und das verursacht Kosten und damit hat man auf der technischen Seite ein Problem. Stadtverwaltung hat glaube ich aber auch auf der kulturellen Seite ein Problem, weil diese Idee, Menschen könnten ohne persönliche direkte Kontrolle zu Hause arbeiten, die ist nicht so weit verbreitet. Und da gibt es natürlich auch noch rechtliche Regelungen und da ist man im Verwaltungskosmos sehr vorsichtig, wie man die auszulegen hat. Das heißt, da gibt es also auch keine, also sowas wie eine Experimentierfreude, so wie ich mir das bei Sandstorm gut vorstellen kann. Hey, wir probieren ja mal aus alle zu Hause zu arbeiten und begreift man das als Chance. Ich glaube so eine Experimentierfreude gibt es an anderen Bereichen dieser Stadt nicht unbedingt. Das alles zusammen macht es dann glaube ich schwierig sich auf neue Situationen einzustellen. Für euch wäre es wahrscheinlich total schwierig sich auf einen Stromausfall einzustellen.

Tobias
Flächendeckenden in der Tat. Das würde uns vor große Herausforderungen stellen, definitiv. Jetzt haben wir immer wieder das Thema Digitalisierung so angesprochen. Und für mich entsteht der Eindruck, in der aktuellen Corona-Pandemie ist das Thema Digitalisierung ganz vorne mit dabei als eins, worüber gesprochen wird, wo wir feststellen, wo Defizite herrschen, wo wir merken, bestimmte Systeme sind weiter in der Digitalisierung und beispielsweise im unternehmerischen Kontext oder im Organisationskontext. Unternehmen wie wir, die Softwareentwicklung machen, sind digital, arbeiten digital, was sich auch darin ausdrückt, dass wir von jedem Ort arbeiten können. Andere Systeme sind da noch nicht so weit, Stadtverwaltung. Welche Chancen, Norbert, siehst du grundsätzlich in dem Ansatzpunkt, lass uns weitergehen mit der Digitalisierung, um Systeme zum Beispiel in so einer Pandemiesituation resilienter zu machen.

Norbert
Ich sehe auch Risiken, das ist schon mal vorab, aber Chance ist natürlich, dass man über das Digitale eine gewisse Flexibilität reinbekommt, eben weil ich sagen kann, ich arbeite heute hier und morgen da, das geht. Ich finde es natürlich auch ganz spannend, dass die Kommunikation so ortsunabhängig dann auch wird. Ich könnte ja prinzipiell heute mit Leuten zusammenarbeiten, die in New York unterwegs sind, das geht. Wenn es ums Ökologische geht, finde ich es gerade sehr spannend, dass wir derzeit Treffen haben, für die wir normalerweise uns bewegt hätten. Das machen wir gerade nicht. Das ist jetzt natürlich in so einer Stadt, das ist doof, weil ich die zehn Minuten, um irgendwo ins Zentrum zu fahren, mich mit jemandem zu treffen, das würde ich glaube ich derzeit ganz gerne machen, aber wir denken zum Beispiel gerade über eine digitale Konferenz nach und da wird es natürlich sehr spannend, weil wenn ich die Referenten gar nicht mehr nach Dresden einfliege, sondern die bleiben alle schön zu Hause, ist es nicht nur sozusagen weniger Mobilität, sondern auch zeiteffizienter. Ich muss für einen Konferenzbeitrag von zwei Stunden nicht mehr jemanden zwei Tage durch die Welt karren, sondern kann denen zuschalten, da liegt eine Menge Spielraum. Aber risikoseitig ist es natürlich auch so ein Ding, auch digitale Systeme sind anfällig und dann sind natürlich die Systeme anfällig, die diese digitalen Systeme benutzen. Das heißt, wir fangen uns auch potenzielle Risiken wieder ein. Es ist ein Abgleich, den wir noch mal austarieren müssten. Also spannend fände ich jetzt zum Beispiel, dann so eine mentale Übung mal zu machen und sich vorzustellen, ok, Internet geht gerade nicht, wie sähe das denn dann aus, wie muss ich dann meinen Arbeiten aufstellen, so wie eben jetzt gerade Kontakte nicht gehen.

Tobias
die Kombination von zwei so Krisen, die...

Norbert
Kombinationen von Krisen sind besonders problematisch. Aber auch alleine Einzelaspekte nochmal durchzudenken und zu sagen, morgen geht irgendwas nicht und es soll trotzdem irgendwas gehen. Das ist ein spannender Gedankenspiel und der wird jetzt überhaupt erstmal möglich, sag ich mal so. Also viele Leute haben sich ja die letzten Jahre geweigert, über bestimmte Szenarien überhaupt nachzudenken, weil sie sich überhaupt nicht für möglich hielten. Und insofern sehe ich gerade eine große Chance, über manche Szenarien nachzudenken. Vielen Dank für's Zuschauen.

Tobias
Genau an der Stelle nochmal eingehakt. Martin hatte vor uns in der Vorbesprechung so einen schönen Begriff aus deinem Vortrag genutzt, Martin, weißt du, was ich meine?

Norbert
Transformation. Mir grad nicht sicher, nein. Ja, genau dieses Transformation. Ah, Transformation.

Martin
Ich bin mir grad nicht sicher, nein. Achso, Transformation by Disaster, ja genau, jetzt weiß ich es wieder. Genau.

Tobias
Das, was Norbert gerade beschrieben hat, klingt für mich genau danach. Kannst du das Konzept noch mal kurz erläutern? Du hast ja beim Norbert so aufmerksam den Vortrag belauscht.

Martin
Ach so, ich kann es ja mal in den Kontext setzen, also in dem, du kannst mich gerne korrigieren hinterher, Norbert, da kann man ja gucken, ob ich aufmerksam zugehört habe, genau, und zwar geht es in dem Vortrag darum, dass es halt einmal die Transformation by Design gibt, also man überlegt sich vorher, wie kann ich das angehen, damit ich da möglichst irgendeine Art Transformationen bekomme, also die Stadt zukunftsfähig mache, und dann gibt es dagegen die Transformation by Disaster, das heißt, wenn ich das vorher nicht geplant habe, vorher nicht umgesetzt habe, und dann auf einmal kommt irgendein Disaster, zum Beispiel eine Pandemie, und auf einmal müssen alle ins Homeoffice, also sozusagen, es werden jetzt Leute gezwungen, diese Transformation auf einmal hinzukriegen, in dem Fall jetzt zum Beispiel die Digitalisierung von Schulen oder halt das Homeoffice oder keine Ahnung, Konferenzen digital organisieren, solche Sachen.

Norbert
Ja, wenn sonst die...

Martin
Ja, wenn sonst die... Ja, wir haben jetzt die...

Norbert
Herzlichen Dank.

Martin
Ja, also red ruhig, red ruhig weiter.

Norbert
Vielleicht für die Zuhörenden, denn wir sehen uns gerade nicht, wir sind alle im Homeoffice und machen das hier remote.

Tobias
Wie wir ja gerade auch sollen. Deswegen ist die Koordination, wer beim spricht, natürlich etwas schwieriger. Vorauf hinaus wollte dieses Thema Transformation by Disaster. Wir haben jetzt so eine Disaster, also so eine Krisensituation. Viele waren gezwungen, sich plötzlich anzupassen. Wir merken also, wo unsere Systeme nicht resilient sind. Beispielsweise in der Digitalisierung, haben wir gerade schon gesagt, die Organisationen, die sich damit schwergetan haben in der Vergangenheit, denen fällt das jetzt ganz stark auf die Füße. Meine Hoffnung wäre, und das ist natürlich eine Hoffnung, dass wir aus so einer Situationen lernen und sagen, hey, es kann also vorkommen, diese Wahrscheinlichkeit, dass so eine Krisensituation eintritt, die ist nicht null. Und es lohnt sich, eine Versicherung dafür abzuschließen, im Sinne von, ich denke darüber nach, wie ich mit so einer Situation umgehen würde. Das ist für mich auch das, Norbert, was du gerade gesagt hattest, dieses, ich denke, ich plane auch mal für so ein Szenario. Das heißt nicht, dass ich natürlich für jedes Szenario dann gewappnet bin. Das ist wahrscheinlich wirtschaftlich nie darstellbar. Aber ich, ja, ich habe zumindest mal darüber nachgedacht, was ich in so einer Situation tue. Das ist es mich nicht völlig.

Norbert
erwischt. Ja, man muss dazu auch sehen, Resilienz ist nicht allgemein möglich. Man kann immer nur resilient gegenüber gewissen Risiken sein oder mehr oder weniger resilient gegenüber einzelnen Risiken. Man kann nicht grundsätzlich unverwundbar sein, das gibt es in diesem Universum nicht. Aber im Risikomanagement gibt es ja diese Formel Katastrophenpotenzial ist gleich Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses mal Folgekosten sozusagen und anhand dessen kann, weil du hast gerade so schön gesagt, die Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses ist nicht null. Du hast nicht gesagt, das ist wahrscheinlich oder so, aber selbst kleinste Wahrscheinlichkeiten können natürlich, wenn sie ein Unternehmen komplett lahm legen zu so großen Kosten führen, dass es besser gewesen wäre, wenn man hätte vorher ein bisschen was investiert. Und ich glaube, das ist eine Haltung, die wir uns öfter angewöhnen sollten, um bestimmte Sachen mal durch zu deklinieren. Wir haben vor zwei Tagen auch festgestellt, dass es, wenn man das mal als Übung betrachtet, also man übt mal ein bestimmtes Szenario, dass es auch für Teambuilding ziemlich cool sein kann. Also zu sagen, wir üben mal Stromfeld aus und versuchen dann mal kollektiv dafür Lösungen zu entwickeln, meinetwegen nur im Unternehmen, dass das auch als Teambuilding-Maßnahme durchgeht, dass man also sozusagen nicht alles nur auf Kostenseite hat, sondern auch noch Gewinne aus so was ziehen kann. Aber es ist natürlich voraus, dass man bereit ist, über sowas nachzudenken.

Tobias
Habt ihr das konkrete Szenario mal durchgespielt?

Norbert
Ne, das war jetzt erstmal nur eine Überlegung, weil da sind wir natürlich bei der Transformation bei Design jetzt an der Stelle. Wir denken gerade relativ viel darüber nach, wie wir unsere kleinen Systeme neu designen, sodass sie mit der aktuellen Katastrophensituation sozusagen klarkommen. Und das war jetzt mal so eine Überlegung, die da aufkam, die wir jetzt noch nicht durchgespielt haben.

Martin
Mhm.

Tobias
Ich glaube, da gibt es gerade auch aus der gesamtgesellschaftlichen Sicht Szenarien, von denen ich nicht weiß, wie man damit umgehen würde, Thema Stromausfall, Thema Internetausfall, mal ganz davon abgesehen von noch grundlegenderen Sachen der Versorgung. Da sind wir vielleicht bei einem Stichwort, das haben wir in der aktuellen Situation ja auch schon gemerkt. Ein bisschen Güter, die in Krisensituationen besonders stark nachgefragt sind, nenne ich es mal. Und das fängt bei Dingen an, die wir im Supermarkt kaufen, ob das jetzt das Klopapier oder Nudelpasta-Produkte sind, die plötzlich ausverkauft waren und wahrscheinlich, ich weiß es nicht, wie es aktuell ist, scheint sich punktuell zu bessern. Aber auch die Situation mit Schutzmasken zum Beispiel, wo man plötzlich feststellt, die kommen ja aus einem ganz anderen Teil der Welt und wenn wir die plötzlich hier in größeren Stückzeiten brauchen, dann ist diese Art von Globalisierung und Lieferketten nicht optimal. Da sollte man nochmal drüber nachdenken. Ja, jetzt eine Frage formulieren, das wäre schön. Genau, du hattest das vor uns im Vorgespräch.

Norbert
gebracht mit dem Thema? Wenn wir das wieder aus diesem Verletzlichkeitsblickwinkel betrachten, müssen wir erstmal feststellen, dass in der Art, wie wir zuletzt gewirtschaftet haben, gewisse Risiken drin sind. Wenn wir uns darauf einstellen, dass unsere Supermärkte immer mit Waren gefüllt werden, die von der anderen Seite des Planeten kommen, je länger die Ketten sind, umso größer ist natürlich die Wahrscheinlichkeit, dass da mal irgendjemand irgendwie reingerätscht. Solange das nur punktuell passiert, ist das nicht das Problem. Aber wenn es um die Versorgung von uns selbst geht als Bewohner von Städten, dann lohnt es sich schon mal, die Frage aufzurufen. Bis jetzt hat sich niemand Gedanken darum gemacht, um Ernährungsstrategien in Städten. Das schien alles so weit weg als Problemlage, weil das ja auch alles funktioniert. Offensichtlich, Supermärkte sind ja immer voll, scheint ja alles zu funktionieren. Aber sicher ist das nicht. Und in einzelnen Städten gibt es Ernährungsräte, die genau das einfordern von der Politik und auch selber mitdenken wollen und sagen, wir sind hier Gastronomen oder wir sind Landwirte oder wir sind allgemein Interessierte. Können wir mal wenigstens erst mal drüber reden und uns Gedanken darum machen, wie sichern wir denn unsere Versorgung mit Nahrungsmitteln auf Dauer? Und da kommt man dann zu der Überlegung, naja, wollen wir mal ins Umland gucken. Städter sind ja auch ein bisschen selbstverliebt. Und das Albsverständnis endet dann an der Stadtgrenze. Aber da draußen, unser Essen kommt von da draußen.

Tobias
Ist das für dich eine Aufgabe der Stadt, sich solche Gedanken zu machen?

Norbert
Wenn du mit der Stadt jetzt uns alle als Stadtbürger meinst, sage ich natürlich. Wenn du mit der Stadt die Stadtverwaltung meinst, sage ich, naja, Stadtverwaltung hat natürlich auch eine Aufgabe der Daseinsvorsorge und ich fände das schon auch gut, wenn angeregt, gesteuert oder zumindest betreut von der Stadtverwaltung solche Prozesse mal strukturiert angegangen werden und da mal Risikomanagement gemacht wird, auf jeden Fall.

Tobias
Das ist ein spannender Widerspruch, auf der einen Seite sage ich mir, wenn es gut läuft, soll doch der Markt das möglichst regeln, Angebot und Nachfrage und versucht sich zu optimieren und immer günstiger wahrscheinlich oder was auch immer besser ist, das auszudifferenzieren für die verschiedenen Gruppen und in einer Situation wie jetzt, dann denken wir schnell in die Richtung, oh Moment mal, jetzt ist hier eine Lieferkette unterbrochen, jetzt läuft was schief, wer ist denn jetzt plötzlich verantwortlich, beispielsweise eine Grundversorgung sicherzustellen, welche Handhabe hat denn beispielsweise eine Stadtverwaltung, um jetzt einzugreifen oder auch vorher, wenn ich mir Gedanken darüber über solche Szenarien mache, welche Mittel und Werkzeuge brauchen die, um ihren Job dahingehend gut zu erledigen, zu sagen, hey, ich habe eine Aufgabe, die Grundversorgung der Bevölkerung vielleicht sicherzustellen. Das ist, glaube ich, eine ganz schwierige Diskussion, oder?

Norbert
Ja, ich weiß nicht, die Aufgabe der Kommunen in unserem föderalen System ist ja die Daseinsvorsorge. Das ist die zentrale Aufgabe der Kommunen. Jetzt kann man nur noch darüber diskutieren, das gehört unter dazu. Das, was in der Pandemie sichtbar wird, ist, dass die Versorgung nicht in jedem Fall selbstverständlich ist, sage ich mal so. Und das ist natürlich eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. In Dresden ist es meines Wissens so, dass wir eine halbe Stelle in der Stadtverwaltung haben, die sich für die Umlandkooperation kümmert. Eine halbe Stelle in einer halben Millionen Stadt. Das finde ich ziemlich wenig dafür, dass das ein relevanter Punkt ist, was wir jeden Tag essen. Oder? Das heißt, dass... Der Hauptstadtbewohner, also das ist ja so eine Frage, die ich jetzt hier mal in den Raum stelle. Aber ihr seid doch genauso Betroffene.

Tobias
Ja, absolut. Deswegen habe ich ja gerade diese Kontroverse mal versucht zu beleuchten. Martin, wie siehst du das?

Martin
Ja, also ich fand auch von dem Punkt ganz gut, wo du meintest, ist denn die Stadt dafür verantwortlich, was sozusagen im Umland passiert? Und prinzipiell, das Umland grenzt ja an die Stadt an. Und ich finde, man sollte schon mit seinen Nachbarn auch mal reden. Und in dem Fall von der Stadt, die Nachbarn ist halt das Umland, weil wenn es hart auf hart kommt, das sind halt die, die am nächsten dran sind, wenn irgendwas ist. Und in unserem Fall ist es halt so, im Umland, da kommen halt dann so Sachen wie, keine Ahnung, die Landwirte haben halt im Umland ihre Felder und da kommen halt im Zweifelsfall dann Sachen her, die man essen kann. Und da wäre es doch ganz cool, wenn man mit denen vorher schon mal geredet hat. Aber ich merke auch selber, man macht sich zu wenig Gedanken darüber, also im Alltag, glaube ich, die meisten Leute und spielt solche Sachen wirklich mal zu wenig durch. Also Norbert ist da schon wesentlich weiter als wir. Du machst das ja mehr oder weniger hobbymäßig und ja, man spielt manchmal so ein bisschen ja was wir so wollen, aber das wirklich mal so strukturiert aufzuarbeiten, ist, glaube ich, was wir jetzt aus der ganzen Sache auch lernen können, dass man das halt wirklich einfach mal macht.

Tobias
Und da das so eine typische nicht-dringend-aber-wichtig-Aufgabe ist, fällt das natürlich gerne hinten runter. Und wenn du jetzt das Beispiel bringst, nochmal, dass es in Dresden dafür eine halbe Stelle gibt. Wenn ich mir vorstelle, ich wäre diese Person und die Hälfte meiner Arbeitszeit hätte ich für solche Gedanken zur Verfügung und die andere Hälfte vielleicht mit einem Thema, was eine tägliche Relevanz hat, da könnte ich mir gut vorstellen, dass mir das sehr schwer fallen würde, diesen langfristig planenden Gedanken genügend Raum einzuräumen.

Norbert
Ja, die Frage nach der Langfristigkeit ist eine spannende Frage. Da liegt ein Finger in eine Wunde, weil wir, glaube ich, an vielen Stellen sehr kurzfristig orientiert unterwegs sind. Und selbst nehmen wir mal diese halbe Stelle, von der ich sprach, deren Aufgabe ist ja nicht die Ernährungsfrage zu klären, sondern grundsätzlich so irgendwie die Zusammenarbeit mit dem Umland irgendwie grob aufrecht zu erhalten. Also da ist die Ernährungsfrage gar nicht das Zentrale. Wenn man jetzt aber vorstellt, ja, welche Priorität hat denn dieses Thema dann wiederum auf der Chefebene? Also so eine einzelne Stelle, die berichtet ja dann auf die Chefebene. Und wenn da kein Langfristgefühl da ist, sondern man immer nur mit dem kurzfristigen Abarbeiten beschäftigt ist, dann bleiben auch Sachen, die da passieren, dann auf der Strecke. Und das ist sehr spannend, weil das, was wir jetzt am Beispiel von Stadtverwaltung und Umland besprechen, gilt natürlich in allen anderen Institutionen eigentlich auch. Da beschäftigt man sich ja auch eher mit dem Tagesgeschäft als mit den langfristigen Fragen, oder?

Tobias
Ja, definitiv, diese Trennung, diese Sicht auf die Welt strategisch zu schauen, was brauche ich als Organisation, wie mache ich mich widerstandsfähig oder wettbewerbsfähig, wie bleibe ich als Organisation am Leben und was muss ich dafür tun, dass meine, die Individuen, die mich ausmachen, überleben und leistungsfähig bleiben, eine ganz technokratische Sicht auf die Welt, die ist glaube ich essenziell, jeder Strategieberater, jeder Unternehmensberater wird sagen, oh, das ist ganz, ganz wichtig, dass man da weiß, wie man unterwegs ist und dennoch glaube ich, kennt jeder, die diese Situation, dass das Tagesgeschäft einfach ganz laut schreit immer und in dem Bereich wichtig und dringend um ganz viel Aufmerksamkeit verlangt und das braucht einfach unheimlich viel Disziplin, diese langfristigen Aspekte immer wieder sich vor Augen zu führen, denn die Wichtigkeit und Relevanz zu geben, die sie haben, gerade für solche Krisensituationen, wie wir sie aktuell erleben.

Norbert
Ja, also dann will ich das Stichwort Klimawandel dann nochmal reinwerfen an der Stelle.

Tobias
Oh, haben wir an der Stelle gefunden.

Norbert
Naja, wir führen diese Gespräche auch deswegen, weil es gerade ein gesellschaftliches Gespür dafür gibt, für solche Krisensituationen, weil wir alle gerade reingeworfen sind, es ist eine kollektive Krisenerfahrung, die hatten wir vorher nicht. Und über den Klimawandel wurde bis jetzt eigentlich fast immer nur theoretisch diskutiert. Er tauchte dann punktuell mal auf, da gab es mal hier ein Extremwetter und da gibt es mal einen Sturm. Okay, wenn die vorbei sind, machen wir immer wieder einen Haken dran. Es ist spannend, dass wir eigentlich ein Versagen haben, was eine Anpassung an die Klimawandelfrage, aber auch was eine Vorbereitung und eine Schutzfrage betrifft. Also muss man ganz klar sagen, da gibt es ein riesengroßes Versagen. Und ich weiß nicht, wie man das beheben kann. Also fehlen uns die passenden Räume, wo wir das diskutieren, fehlt uns die passende Sichtweise. Das kann ich so genau nicht sagen, aber würde ich mir auch wünschen, dass wir aus dem jetzigen was lernen. Also was lernen wir aus der jetzigen Situation für die Klimawandelfrage?

Tobias
Du sagst also, diese Pandemiesituation ist eine Krise, eine kollektive Krise, im Sinne von wir erleben die gerade alle gleichzeitig. Es gibt aber überlagert eine weitere Krise, nämlich die Klimakrise, und die hat nicht diese Aufmerksamkeit, weil sie nicht so gleichzeitig und nicht so akut.

Norbert
Das Problem ist, wenn die dann mal gleichzeitig und akut stattfindet, dann sind die Messen gelesen.

Tobias
Dann haben wir so eine Überlagerung von verschiedenen Krisen und dann wird es richtig schlecht.

Martin
ich finde das aber gerade auch im aktuellen Kontext spannend, weil ich meine die Pandemie hat ja auch mal klein angefangen. Also die WHO als die die Warnung rausgehauen, das war was nicht im Januar oder Anfang Februar oder sowas und bis das dann wirklich mal ankam, dass das also auch bei so Leuten wie Politikern oder auch der allgemeinen Bevölkerung, also ich weiß zum Beispiel wir haben ich glaube im Februar mal am Tisch gesessen bei Sandstorm zum Mittag und gequatscht und da ging es halt auch so um Corona und ja und da wusste halt keiner so richtig was eigentlich gerade Phase ist und es gab da schon Experten die gesagt haben hier das wird eine Pandemie und andere haben halt wieder gesagt ja das ist einfach nur eine Grippe und das ist eigentlich genau das gleiche wie im Klima-Mein, nur dass es halt schneller ging. Also davon von die Experten sagen das wird was und Leute glauben es nicht und dann ist es am Ende doch eine Pandemie und auf einmal merken das ist eine Pandemie und handeln jetzt, das ist eigentlich das gleiche was wahrscheinlich beim Klimawandel auch so sein wird. Ich meine irgendwann kommen die Folgen, wir werden die spüren, wir haben dann genug nicht auf die Experten gehört und dann muss man handeln. Also ich finde das ist eigentlich gar nicht viel anders.

Norbert
Naja, ich teile das, da gibt es Ähnlichkeiten, nur wenn wir erst warten, bis die Klimawandeleffekte spürbar werden, also so wie jetzt die Pandemiewirkungen für jeden spürbar sind, dann ist es halt zu spät, weil die Welle, die da drin steckt, halt viel, viel größer ist. Und ich will auch nochmal reden, das Klimawandel ist ja nur ein Problem, wir können über das Artensterben nochmal genauso reden, das ist auch so eine Entwicklung.

Martin
Ja, dass stimmt!

Norbert
wo wir hingucken müssen. Und da können wir nicht warten auf Transformation by Disaster. Weil das Disaster kann dann sein, dass das die Spezies nicht überlebt.

Martin
Ja, Also nee, das war jetzt auch kein Punkt im Sinne von, hey, wir sollten jetzt genauso lange warten, bis da die Effekte spielbar sind, sondern das war halt wirklich nur, man sieht halt gleiche Muster. Leute am Anfang nehmen es halt nicht so die Ernst oder wissen nicht, was sie glauben sollen. Und dann ist es halt irgendwann zu spät. Ich meine, prinzipiell bei Corona haben wir ja auch recht spät reagiert. Da sind mehr Menschen gestorben, als hätten müssen. Und wir mussten jetzt tragischere Maßnahmen ergreifen vielleicht oder länger. Also ich meine, wir haben das noch nicht überstanden. Wir sind ja mitten drin gerade, also.

Tobias
Norbert hatte ganz am Anfang von KIP-Punkten gesprochen und ein weiterer Aspekt, der momentan auch in den Medien immer wieder mal genannt wird, ist das Thema exponentielles Wachstum. Also bei dieser Pandemie, bei dieser Ausweitung von dieser Krankheit haben wir ein exponentielles Wachstum und wir wundern uns immer hoch. Letzte Woche waren die Fallzahlen noch noch dreistellig und diese Woche haben wir schon vierstellige und hohe vierstellige Werte und noch eine Woche später sind sie plötzlich fünf- und sechsstellig und genau diese Art von, also einmal dieses exponentielle Wachstum, diese Beschleunigung, die zunimmt, mit der wir Menschen ganz, ganz schlecht klarkommen, wenn wir sie begreifen wollen und das dann noch kombiniert mit solchen KIP-Punkten. Also wenn ich über diese Pandemie nachdenke, diese Verbreitung dieser Krankheit und dann ist ein Reisender, der in einer Veranstaltung war, die noch nicht abgesagt war und der dann plötzlich ganz viele Leute angesprochen hat und das ist ein Punkt, zack, da habe ich eine ganz große Ausbreitung und genauso habe ich ja KIP-Punkte beim Klimawandel oder beim Artensterben, wenn bestimmte Arten verloren gehen, die fürs Ökosystem relevant sind oder essenziell sind, dann habe ich einen KIP-Punkt und dann wird die Situation plötzlich sehr, sehr viel schlimmer.

Norbert
Ja, das Spannende ist, die Exponentialfunktion, die haben wir vorher selten so in der öffentlichen Diskussion gehabt wie derzeit und wenn man sich aber mal andere Kurven anschaut, also sei es die Kohlendioxidanreicherung in der Atmosphäre, sei es die Nitratanreicherung, sei es die Aussterberate von Arten und so weiter, sehen die alle genauso aus, die Kurven. Meine Hoffnung ist, dass wir da demnächst mal genauer hingucken, also dass da mehr Leute dahingucken. Das, was ich halt spannend finde als Frage ist, wo sind die Räume, wo wir das dann verhandeln? Jetzt in der Pandemie ist es ja im Grunde so, ein großer Verhandlungsraum ist in der Wissenschaft. Da machen sich viele Leute Gedanken und versuchen, Daten zu sammeln und zu strukturieren und dann geht es in die Politik rein. Aber in der Krisensituation gerade gibt es eigentlich nur ganz wenige Politiker, die Entscheidungen treffen, also die, die wir in Präsidentenrollen gewählt haben. Die treffen jetzt Entscheidungen und eine große Debatte dafür ist jetzt gar keine Zeit. In der akuten Krisensituation geht es gar nicht so, jetzt das Ganze mit den parlamentarischen Strukturen rückzukoppeln. Und ich frage mich, ob uns noch die passenden Räume fehlen, um so was Fundamentales wie Klimawandel oder Artensterben zu diskutieren und es dann in die Umsetzung zu kriegen. Ich habe keine Ahnung, ob da das Digitale zumindest helfen kann, solche Räume zu schaffen, strukturierte Diskussionen herbeizuführen und das auf Entscheidungen hinlaufen zu lassen. Das ist nun mal ins Unreine gesprochen, weil ich nach irgendwas suche. Aber den Raum, wo wir tatsächlich über das fundamentale Sprechen, den sehe ich gerade nicht so richtig.

Martin
Jetzt im Besuch auf Klimawandel.

Norbert
Ja, nehmen wir das als Beispiel, genau.

Tobias
Und das Schwierige ist ja, in der Diskussion, meiner Meinung nach, zu unterscheiden zwischen was ist Meinung und was ist Fakt. Ich kann ganz viel über Meinungen diskutieren, was jetzt Klimawandel oder auch Corona als Krankheit, als Pandemie angeht. Das ist dadurch alles noch nicht richtig und sinnvoll und zielführend, wenn ich da ganz viel Meinung reingebe in die Diskussion. Es ist wichtig, dass ich meine Meinung natürlich sagen kann, also das Thema Grundrechte und Einschränkungen, wo ja auch gerade ganz viel diskutiert wird. Aber für mich ganz persönlich als Tobias ist diese Einbeziehung der Wissenschaft, die wir gerade sehen, gerade bei der Pandemie, ein total positives Signal. Und ich wünsche mir, dass die Politik diesen Dialog auch auf die Klimakrise überträgt. Ich bin ja mit Scientists for Future in einer ganz großen Community, die sich einbringen möchte, die ganz klare Statements hat, die bis jetzt, naja, ich sag mal, vielleicht angehört wurden.

Norbert
Mir fällt da eine Enquete-Kommission ein, die es mal im Bundestag gab, wo Dennis Meadows gesprochen hatte, unter anderem zum Thema Resilienz, das findet man im kleinen Video-Ausschnitt auch auf YouTube. Das ist jetzt schon diverse Jahre her, da ging es um Wachstum und er hatte halt so auch die Klimawandel-Frage damit reingebracht gehabt. Na ja, wenn ich sage, es ist schon diverse Jahre her, sieht man halt, ok, Wissenschaft wurde angehört und dann passierte wieder nichts. Es ist eine spannende Frage, wie kriegt man denn eigentlich den Druck der Zukunft, also der Druck, den wir in der Zukunft kriegen, wie kriegt man den in die Gegenwart transferiert? Um jetzt zu entsprechenden Entscheidungen zu kommen, also dass Herr Söder und seine Kollegen jetzt schon Entscheidungen uns auch abverlangen, uns als Bürger, weil dafür haben wir es als Führer gewählt, sag ich mal so, dass wir manche Sachen anders machen, auf manche Sachen verzichten, damit wir uns vorbereiten. Also, wer baut uns nicht die Haltmaschine?

Tobias
Da steckt ja auch die Systemfrage drin, wenn dieser Widerspruch langfristig denken, sich auf Krisensituationen mal vorbereiten versus die Kurzfristigkeit, die in unserer repräsentativen Demokratie steckt. Im Sinne von, ich habe Legislaturperioden und ich muss darauf achten, dass ich wieder gewählt werde, also das sind langfristige Themen, die vielleicht ein über eine Legislaturperiode hinausgehendes Investment oder Engagement benötigen, ja, schwieriger als kurzfristig erfolgversprechende Themen und gerade auch, was wir vorhin besprochen hatten, um Systeme resilient zu machen, muss ich darüber nachdenken, muss ich diese Gedankenexperimente durchführen und auch dafür brauche ich eine bestimmte Ruhe, ein bestimmtes Mindset und muss mich in diese Situation mal hineinversetzen und mir mal die Frage stellen und dann auch in Ruhe diskutieren, was wäre wenn und wenn ich Leute, die das machen, nur als Kostenposten sehe, ob das jetzt in meinem öffentlichen Haushalt ist oder in meinem Unternehmen oder in meiner Organisation, dann werde ich sehr geneigt, die für kurzfristige Gewinnoptimierung oder Kostenoptimierung zu opfern und die, ja und.

Norbert
Hm, spannender Punkt. Wenn man langfristiges Denken von der Steuer absetzen könnte, ob das dann mehr Leute machen würden?

Tobias
Spannende Frage, habt ihr zu dem aktuellen Thema noch ein Input? Wollt ihr noch was loswerden?

Martin
Also mein größter Takeaway, den ich hoffe, dass die Leute haben, ist ein bisschen mehr auf die Experten zu hören. Also in der Corona-Krise hat das ja gut geklappt und ich meine, ich kann nur für mich sprechen, ich bin definitiv kein Experte auf dem Gebiet, aber es gibt Experten auf solchen Gebieten und ich finde, man sollte einfach mal ein bisschen hören, was die sagen, einfach nur zuhören. Und ich glaube, das haben wir momentan ganz gut geübt, jetzt bei der Corona-Krise mit den ganzen Quarantänemaßnahmen. Ich hoffe, dass es einfach auch bei anderen Gebieten ähnlich gemacht wird. Ich weiß nicht, wie ihr das seht, ich fände das ganz erfrischend.

Norbert
Ja, das Risiko ist da natürlich, dass es immer auch Kritik an Autoritäten gibt und die Frage nach Experten ruft dann immer automatisch die Frage auf, wer ist eigentlich Experte? Ich glaube, da ist eine Bildungsfrage, die wir da reinlegen müssten, also was bringen wir uns eigentlich gegenseitig so bei über Exponentialfunktion oder darüber, wie das Wissenschaftssystem funktioniert, wie Daten erhoben werden, wie Pandemien entstehen, welche Wirkungen Viren im Körper haben, da kriegen wir jetzt alle gerade mal so ein bisschen Crashkurs, aber es gibt natürlich auch diverse Leute, an denen docken selbst diese Grundlageninformationen nie an, weil da, naja, vielleicht unser Bildungssystem nie so optimal aufgestellt ist, wie es sein sollte. Ich bin jetzt auch kein Bildungsexperte, ich stelle nur fest, dass diese Meinungsvielfalt, die wir haben, obwohl wir eine Menge Fachleute haben und die durchaus fundierte Daten haben, dass das schwer zusammenpasst irgendwie, aber für die Zukunft brauchen wir da auch breit gestreute Mechanismen, dass wir uns auch auf eine gemeinsame Weltsicht und eine gemeinsame Realität zumindest in Teilen einigen können, ansonsten, wenn wir alle so fragmentiert unterwegs sind, bleiben natürlich auch die Entscheidungen fragmentiert schwierig.

Martin
Ja, es ist ein schwieriges Thema, glaube ich, einfach, weil, also, einerseits ist es wichtig, dass es diverse Meinungen gibt, auch einfach um verschiedene Sachen nochmals zu hinterfragen. Andererseits ist es aber auch wichtig, dass man nicht um jeden Preis dagegen ist. Also, ich weiß nicht auch gerade, ob man den Daning-Krüger-Effekt kennt. Wenn man sich mit einem Thema ein bisschen beschäftigt, denkt man, man ist ein Experte, aber ist halt noch keiner. Ich weiß auch nicht so richtig. Also ja, es ist ein kompliziertes Thema und ich weiß auch gar nicht, was ich sagen wollte.

Tobias
Und ich glaube, wir könnten noch ganz lange mit unseren drei Meinungen darüber diskutieren. Ich denke aber, wir haben einen guten Rundumschlag um das Thema gemacht. Also wir sind ja gestartet bei der Frage systemische Relienz in der Pandemie, haben uns mal das System Stadt angeschaut und das System Unternehmen und haben doch schon Lehren daraus gezogen. Dieses Vorbeugen ist besser als nach hinten fallen, sage ich mal ganz platt, aber welche Schwierigkeiten auch damit einhergehen, wenn man diese Planung machen möchte und dass auch der Diskurs total wichtig ist, um die Gesellschaft oder die Individuen in der Organisation mitzunehmen, dass sie das gemeinsam tragen, wenn es Einschränkungen gibt, die aus solchen Maßnahmen resultieren. Das hast du sehr schön zusammengefasst. Dankeschön. An dieser Stelle bedanke ich mich ganz doll bei meinen beiden Gästen heute, dem Norbert und dem Martin. Dankeschön, dass ihr dabei wart.

Norbert
Sehr gern. Danke auch dir.

Tobias
Ich danke allen Hörerinnen und Hörern, die diese wahrscheinlich sehr lange Folge bis zum Ende durchgehalten haben. Wir freuen uns wahnsinnig über Feedback. Wenn ihr Fragen habt, wenn ihr was loswerden wollt zum Podcast, kontaktiert uns auf Twitter, schickt uns eine Mail, ruft uns an. Siehst du, da ist wieder eine Mail gekommen. Ich hab's gehört. Die Kontaktdaten stehen auch in den Show Notes. Ich sage vielen Dank. Ich durfte heute euer Host sein. Ich bin der Tobias und wir hören uns beim nächsten Sandpapier wieder. Bis dahin macht's gut. Tschüss.

Norbert
Ciao.

Martin
Ciao ciao.