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Folge 6 - Prime Directive vs. Fingerpointing

"Du bist Schuld!", "Wenn das Backend-Team die API nicht versaut hätte, dann...", "Der PM kippt uns halt immer mit Aufgaben zu...", "Unsere Entwickler haben wieder schlecht geschätzt...".

Vermutlich kennt jeder diese Phrasen, die versuchen einen möglichst einfachen Sündenbock für oftmals sehr komplexe Probleme zu finden. Das Individuum und eine tatsächliche Ursachenforschung bleiben da schnell auf der Strecke. In dieser Folge besprechen Tobi, Fabi und Theo, wie wir dem Thema Fingerpointing bei Sandstorm begegnen, welcher Methodiken wir uns bedienen und wie Sandstorm dabei am Ende des Tages ein wirtschaftliches Unternehmen bleibt.

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Das Sandpapier ist unser wöchentlicher Podcast. Wir erzählen aus unserem Alltag, was wir versuchen anders zu machen und welchen Herausforderungen und Experimenten wir uns auf unserem Weg stellen.

Die Folge zum Lesen

Theo
Hallo und herzlich willkommen zu einer neuen Ausgabe des Sandpapiers, unserem Sandstorm Weekly Podcast, wo wir Themen, Herausforderungen und Experimente aus unserem Alltag als Softwareunternehmen besprechen. Heute habe ich mir zwei spannende Gäste eingeladen, zum einen der Tobias Gruber.

Tobias
Hallo Theo, danke, dass ich dabei sein darf.

Theo
Hi Tobi und der Fabian Tschöck.

Fabian
Hallo, ich mal wieder.

Theo
Und ich bin heute euer Host, Theo Salzmann. Heute habe ich ein Thema, das mich in der letzten Zeit relativ oft beschäftigt hat und zwar das ist ein bisschen das Thema, wie gehen wir eigentlich im Unternehmen miteinander um? Also wie begegnen wir uns auf menschlicher Ebene, welche Rolle spielt dabei beispielsweise das Stichwort Fingerpointing und gibt es irgendwie Methoden, damit wir uns gegenseitig den Alltag im Unternehmen irgendwie leichter machen können? Und Fingerpointing spielt für mich eine ziemlich zentrale Rolle, weil mir das beispielsweise in meinem ehemaligen Job oft begegnet ist. Fabi, magst du vielleicht mal zum Einstieg ganz kurz erläutern, was wir bei Sandstorm genau unter dem Begriff Fingerpointing eigentlich verstehen?

Fabian
Ja kann ich gerne mal versuchen. Wann das klassischerweise passiert oder finger pointing, was jetzt ja mit dem Finger auf andere zeigen, ist wahrscheinlich so der beste deutsche Begriff. Also wenn etwas schief gegangen ist, in welchem Kontext auch immer, dann ist es natürlich sehr einfach, die Schuld auf etwas anderes zu schieben, bloß nicht auf sich selbst. Also das Wetter war schlecht, das Projekt hatte zu wenig Budget, der Kollege war nicht da und so weiter und so fort. Und man versucht natürlich ganz viele Ausflüsche zu finden, um die Schuld nicht oder das, was vermeintlich schiefgegangen sein soll, auf sich zurückfallen zu lassen. Und dieser Schutzmechanismus resultiert ganz oft aus zu wenig Vertrauen im Team, in der Firma und dass jeder Fehler, den man macht und den man zugibt und der irgendwie auf einen zurückfallen könnte, sorgt dafür, dass andere diesen ausnutzen, um einen eigenen Vorteil daraus zu erhaschen. Und das machen wir explizit nicht. Also das Zugeben von Fehlern, man hat vielleicht an irgendeiner Stelle eine falsche Entscheidung getroffen. Also es gibt in dem Sinne keine Fehler, will ich mal so sagen, sondern mit dem besten Wissen und Gewissen hat man eine Entscheidung getroffen und die kann sich im Nachhinein als falsch herausstellen. Das ist aber nicht schlimm und da dreht einem keiner einen Strick draus.

Theo
Tobi, kannst du vielleicht nochmal versuchen, etwas konkreter zu machen, welche Konsequenzen in unserer Meinung das Fingerpointing hat und warum wir so explizit versuchen, das zu vermeiden?

Tobias
Wir kennen das schon aus dem Arbeitskontext. Irgendetwas geht schief und dann wird gefragt, wer ist dafür verantwortlich? Wer ist schuld, dass ein Fehler im Release war, dass auf Produktion etwas geändert wurde im produktiven Betrieb und dann ist plötzlich der Server gecrashed oder solche Geschichten. Und wenn ich die Frage stelle, wer hat Schuld daran, dann passiert schon das, was Fabian gerade beschrieben hat. Man überlegt sich zuerst, oh Gott, was sind jetzt die Konsequenzen davon, wenn ich hier Schuld habe? Und wenn man dann Angst davor haben muss, was passiert denn, wenn man als derjenige identifiziert wird, der Schuld an etwas hat, dann werde ich sehr wahrscheinlich nur mittelsinnvoll dazu beitragen, dass herausgefunden wird, dass das absolut mein Fehler war, wenn ich dann Angst habe, dass das öffentlich gemacht wird im Sinne von, ah, guckt mal hier der Tobias, der hat aber hier eine richtig schlechte Entscheidung getroffen oder der bekommt sogar eine Abmahnung, weil es sich im Arbeitskontext schon krass ausgewirkt hat, was da passiert ist. Und wenn ich diese Angst habe, dass Fingerpointing betrieben wird, also dass ein Schuldiger gesucht wird, um ihn öffentlich an den Pranger zu stellen, dann werde ich keine Kultur bekommen, wo, was Fabian gerade schon gesagt hat, Fehler angesprochen werden, wenn sie entdeckt werden, wo jemand sagt, hey, ich habe, ich glaube, ich habe hier was falsch gemacht und dann kann man vielleicht, könnte man vielleicht noch gegensteuern, aber weil Scham herrscht, das zuzugeben und Angst vor den Konsequenzen, wird das halt verheimlicht und vertuscht. Es wird versucht, die, wie Fabian auch beschrieben hat, die Schuld bei anderen zu suchen, das Problem von sich wegzuschieben. Und es wird ganz, ganz viel Aufwand betrieben, um dieses Problem herum zu arbeiten, ohne dass die eigentliche Energie in die Problemlösung führt.

Theo
Das finde ich spannend, also du würdest quasi sagen, dass durch Fingerpointing ganz oft sozusagen am Symptom herumgeschraubt wird, jemand wird verantwortlich gemacht, jemand fühlt sich vielleicht auch dadurch natürlich entsprechend schlecht, aber die eigentliche Ursache, die das Symptom verursacht hat, wird dabei sozusagen, die wird gar nicht ergründet. Habe ich das richtig verstanden?

Tobias
Das ist ein Aspekt, ganz genau, und das andere ist, welche Botschaft, welche Kultur vermittel ich denn damit, wenn ich nach einem Schuldigen suche. Und das führt dazu, dass das Vertrauen, hey, ich kann mich hier im Team öffnen, das, was ich mache, das wird wertgeschätzt, das wird dadurch untergraben. Und die Bereitschaft, auch mal ein gewisses Risiko einzugehen, für das Team die extra Meile zu gehen, die wird damit Stück für Stück reduziert. Und das ist, also auf ganz vielen Ebenen passieren da schlechte Dinge durch Fingerpointing. Es trägt auch nicht dazu bei, die eigentliche Ursache zu finden, also dieses Thema, man müsste eigentlich eine Retrospektive machen und zu verstehen, wie ist es denn dazu gekommen, welche Schritte haben dazu geführt, aber wenn ich da immer die Frage stelle, ja, wer ist denn jetzt verantwortlich, dann hilft das der Organisation, dem Team, der Person nicht daraus zu lernen und zu sagen, ah, okay, das und das und das ist passiert aus diesen und jenen Gründen wurde eine Entscheidung getroffen. Jetzt können wir daraus wissen, ableiten, wie wir das in Zukunft besser machen.

Theo
Bei Sensof versuchen wir, dem ganz bewusst auf verschiedenen Ebenen entgegenzuwirken. Ich glaube, wir haben einfach so einen Pool an Werkzeugen bei uns etabliert, die für uns zumindest sehr, sehr gut funktionieren. Ich würde gerne auf ein, also für mich persönlich ganz zentrales Werkzeug mal versuchen, einzugehen. Und zwar kann ich mir erinnern, dass wir kurz nach der Neoscon dieses Jahr plötzlich ein riesengroßes Poster bei uns im Büro hängen hatten, und das hängt da auch immer noch, welches einen unserer Grundsätze ganz explizit macht. Und zwar steht da drauf, Prime Directive, regardless of what we discover, we understand and truly believe that everyone did the best job they could, given what they know at the time, their skills and abilities, the resources available and the situation at hand. Also zu Deutsch, wir gehen sozusagen davon aus, dass jeder bei uns im Team zu jedem Zeitpunkt nach bestem Wissen und Gewissen, wie du vorhin schon mal gesagt hast, Tobias, und mit dem Besten, was er geben konnte, sozusagen versucht hat, etwas zu bearbeiten. Also ein sehr, sehr positives Menschenbild. Tobi, wo kam denn diese oder wo kam auch damals, wo kam dieses Poster plötzlich her, wo kommt diese Prime Directive her und was bedeutet das eigentlich für uns?

Tobias
Das Poster kommt aus dem Neos Sprint, den wir nach der Neos Conference dieses Jahr hier bei uns im Büro gehostet haben. Und da machen wir immer eine Retrospective, also ein Tag ist da reserviert gewesen. Und die Gina Steiner von Zeitgeist, die die Retrospectiven im Neos Team moderiert, bringt immer diese Flipcharts mit. Und eins davon ist eben die Prime Directive und ich fand das, mich hat es irgendwie gepackt, ich habe den gespürt, hey, ich finde das im Neos Kontext, im Neos Team so wichtig, dass wir das jedes Mal wieder ganz explizit in der Retrospective am Anfang aufhängen. Einer liest es vor, dass ich gesagt habe, nachdem die Retro durch war, hey, kommt dieses Plakat, das schnappe ich mir jetzt mal und hänge es bei uns ins Büro. So weil ich auch für Sandstorm diese Haltung gerne mitnehmen möchte, so sind wir an das Plakat gekommen.

Theo
Und vielleicht gehst du noch mal näher drauf an, was bedeutet das eigentlich für uns? Also da steckt da irgendwie ein ganz spezielles oder ein spezifisches Menschenbild, glaube ich, dahinter. Oder vielleicht was bedeutet das für dich noch viel konkreter?

Fabian
Na ja, da steckt zumindest mal ein ganz grundlegendes positives Menschenbild dahinter, das grundsätzlich davon ausgeht, dass kein Mensch aus bösen Absichten die Dinge getan hat, die er getan hat. Na klar, wie überall, da gibt es natürlich auch Ausnahmen, aber das, weiß ich nicht, 99% der Menschheit entsprechen diesem Weltbild, aber die Dinge, die getan werden, führen dazu, dass andere denken, dass das jetzt mutwillig passiert ist und das ist in den meisten Fällen aber gar nicht so. Und ich glaube, es ist super hilfreich und sorgt auch für eine gewisse Entspannung im eigenen Leben, wenn man sich diese Prime Directive mal vor Augen führt und ganz bewusst macht, dass derjenige oder die Dinge, die jetzt passiert sind, nicht aus böser Mutwilligkeit passiert sind, sondern einfach weil vielleicht Annahmen, die getroffen wurden, falsch waren oder dass derjenige nicht alle Informationen hatte oder der Aufgabe schlichtweg nicht gewachsen war. Und damit, wie soll ich sagen, lässt sich es viel einfacher leben, egal ob jetzt privat oder im beruflichen, dass man nicht die Schuld bei der Person sucht, die in den allermeisten Fällen überhaupt nichts dafür kann, sondern an den Umständen, an den Rahmenbedingungen, die zu dieser Situation geführt haben. Und das ist ja das, was Tobi von uns schon meinte, dass man, wenn man dieses Bild hat, dieses positive Menschenbild, kann man sich der tatsächlichen Fehlerursache mal widmen, was jetzt dazu geführt hat und man muss nicht eine Person entlassen, wobei sie eine falsche Entscheidung getroffen hat, die auch nur rückwirkend plötzlich sich als falsch herausstellt.

Theo
Das ist, glaube ich, ganz spannend. Ich glaube, ich würde gerne noch zwei weitere Werkzeuge erstmal mit in den Pool aufnehmen, die ich denke, dass sie eine wichtige Rolle bei uns spielen und dann versuchen, das nochmal ein kleines Stück weiter zu denken, was beispielsweise andere Unternehmenskontexte betrifft. Und zwar das erste Werkzeug, was mir in dem, was du gerade gesagt hast, Fabian, direkt auch einfiel und auch Tobi, als du auch die Angst ansprachst, etwas zuzugeben, ist das Thema Vulnerability Based Trust, also Vertrauen durch Verletzlichkeit. Tobi, kannst du vielleicht mal kurz erklären, was wir damit eigentlich meinen? Ja, das ist ein Konzept.

Tobias
was in verschiedenen Büchern immer mal wieder eine ganz zentrale Rolle spielt, weil wenn es um Teams geht und Team Performance und wie kommt man denn dazu, dass in Teams, also in Gruppen von Menschen, die ein gemeinsames Ziel verfolgen und zusammenarbeiten, dass da eine gute Leistung hinten rauskommt und in den Büchern, die ich zu dem Thema gelesen habe, war eben dieser Begriff Vulnerability Based Trust ein ganz zentraler Bestandteil. Das heißt, dass die Performance eines Teams umso höher ist, je mehr Verletzlichkeit die Teammitglieder untereinander zulassen können und diese Verletzlichkeit, die man zulässt, indem man persönliche Dinge mit den anderen Teammitgliedern teilt, indem man über die eigenen Werte spricht, also indem man die die Zwiebelschalen um einen rum so ein Stück weit aufblättert, wenn man merkt, dass diese Verletzlichkeit nicht dazu benutzt wird, jemanden zu verletzen, auszunutzen, sich auf seine Kosten zu bereichern, dann führt das dazu, dass eine Kultur entsteht, wo man dem anderen sagen kann, hey, pass mal auf, ich glaube, da läuft gerade was schief, wir machen das hier nicht richtig und wenn Teams sich trauen, solche Sachen anzusprechen, dann werden Fehler viel, viel, viel früher im Prozess gefunden und offenkundig, dann ist es auch gar nicht mehr wichtig, wer jetzt verantwortlich ist, sondern dann wird geschaut, okay, wie ist es denn zu dem Fehler gekommen, was ist im Prozess los und dann kann die Ursache behoben werden und damit erreicht man ein ganz anderes Level an Performance, an Leistung, die so ein Team erbringen kann, ohne dass ein Leistungsdruck herrschen muss, sondern im Gegenteil, wir sind offen miteinander, es entsteht ein Vertrauen im Team, ich kann hier Dinge ansprechen und damit fühlt man sich sicher und gab es eine große Google Studie auch zu dem Thema, dort hieß das Thema Psychological Safety, aber das ist in meinen Augen, nach meinem Verständnis, das gleiche Konzept, also wenn ich mich sicher fühle im Team, dann ermögliche ich dem Team auch eine Leistung zu bringen.

Theo
Ich finde das ziemlich spannend. Ich könnte mir vorstellen, dass es für die Hörer gerade noch sehr, sehr abstrakt ist. Ich würde mal tatsächlich ein relativ aktuelles Beispiel kurz anreißen wollen, um mal zu beschreiben, wie dieser Vulnerability Based Trust in unserem Unternehmen beispielsweise aussehen kann. Und tatsächlich ist es insofern ganz günstig, als dass es eine Situation war, die uns alle drei betraf. Und ich glaube, Anfang letzter Woche war das, glaube ich, dass es eine Situation bei uns gab. Ich habe in einem Projekt gearbeitet, in dem wir bereits über dem Kontingent waren. Und es gab eine Situation, in der ihr eigentlich, um mich mehr oder weniger auch ein bisschen aufzuhalten, um ein bisschen Spaß aus der Situation zu machen, so ein bisschen gestichelt habt. So, jetzt dauert es nur noch zwei Wochen, so sinngemäß war so ein Spruch. Und tatsächlich hat mich das aber immer mehr gewurmt. Ich glaube, weil ich eben zum einen die Prime Directive kenne und davon ausgegangen bin, dass ihr das nicht böse meint und weil ich weiß, dass ich diese Verletzlichkeit zeigen kann, bin ich dann tatsächlich ganz explizit an euch herangetreten. Fabi, kannst du vielleicht noch mal ganz kurz umschreiben, was ist in dir vorgegangen, als du das gesehen hast? Hast du gedacht, der Idiot, was will der denn jetzt? Der soll sich mal nicht so haben? Was waren so deine ersten Gedanken? Ich hatte explizite Nachrichten geschrieben, als du die gelesen hattest.

Fabian
Ich glaube, das, was du als Zweites gesagt hast, von wegen, was will der jetzt eigentlich, das wäre so meine Situation oder meine Reaktion vor Sandstorm gewesen, also von wegen, der soll sich mal nicht so haben, ist doch nur ein Spaß, mittlerweile denke ich da komplett anders drüber und weiß, dass nicht, wie soll ich sagen, jeder reagiert ja komplett anders auf Sticheleien, auf gewisse Situationen in Projekten, manche reagieren ein bisschen schlecht auf Druck, andere brauchen das und je nach diesen Persönlichkeiten ist es auch, wie soll ich sagen, super wichtig, sich gegenseitig zu kennen und wenn, so wie du jetzt in dem konkreten Beispiel merkst, boah, das also das sorgt für so eine körperliche Reaktion bei mir, mir geht es überhaupt nicht wohl damit, dass jetzt hier die, mehr oder weniger in Anführungsstrichen, die hier die ganze Zeit gestichelt wird oder immer mal wieder so ein bisschen, dass das geäußert werden darf und dass man dann auch, also die, die das betrifft, diese Situation, dass man da komplett vorurteilsfrei drüber sprechen kann und sagen kann, okay, das ist vollkommen richtig, das war nicht böse gemeint und das war jetzt meine Art, vielleicht auch zu sagen, na, wann sind wir denn wirklich jetzt fertig und halt irgendwie so komisch verpackt war und darüber zu sprechen ist und das explizit zu machen, sorgt wiederum dafür, dass man sich auf einer ganz persönlichen Ebene noch mal viel näher kennenlernt und natürlich dann auch in Zukunft, dass nicht noch mal passiert, dass so gestichelt wird, weil man ganz genau weiß, okay, das kommt eher nicht gut an, wenn man das macht, auch wenn es überhaupt nicht böse, sondern eher scherzhaft gemeint ist, aber trotzdem, da lässt es halt so ein ganz blödes Geschmäckle bei dir im ganz konkreten Fall sein.

Theo
Ich würde vielleicht noch ergänzen, also zum einen ist es natürlich nicht bei einer Nachricht geblieben, sondern ich habe ganz explizit mit Fabian und Tobi im Anschluss an diese Nachricht, die ich geschrieben habe, auch gesprochen und wir haben das für uns aufgelöst und ich glaube, was für mich spannend war, also tatsächlich ist auch das keine Einbahnstraße gewesen und ihr habt quasi gelernt, hey, Theo, für den fühlt sich diese Situation irgendwie nicht gut an, sondern ich habe auch gelernt, hey, sowohl Fabian du als auch Tobi, ihr hatte zu dem Zeitpunkt eine andere Wahrnehmung und eure Antennen waren einfach auch nicht auf, ich hatte so kleine Hinweise gegeben und eure Antennen waren nicht drauf geeicht und ich weiß jetzt, dass ich im Zweifelsfall vielleicht schon viel eher auch stärker signalisieren muss, dass mich so etwas verletzt, sofern ich es selbst erkennen kann.

Tobias
Entscheidende Punkt ist ja, du hast dich verletzt gefühlt in der Situation, als wenn wir gestichelt haben, also es ist für dich als Stichelei angekommen, als irgendwas verletzt mich hier und du hast dich dann getraut zu sagen, hey Leute, das verletzt mich und die Antwort war nicht, ja so dein Problem, sondern was ich mir gedacht habe, als ich deine Nachricht gelesen habe, war, ja super Herr Gruber, da haben sie ja ganz toll gemacht, sie wollten hier ein bisschen ernst aus der Situation rausnehmen und ein bisschen spaßig sein und sie haben genau das Gegenteil getan, sie haben die andere Person verletzt und dabei und das nicht mal gemerkt, sie sind ja ein super Typ, ich hoffe der ironische Unterton kam so ein bisschen rüber jetzt im Audio, ist geglückt und das drückt auch für mich so aus, dieses Thema Menschenbild, mein ganzes Verständnis von Diskriminierung und es ist quasi, es ist eine Form von Diskriminierung, was da passiert ist, es ist völlig egal, was ich als Sendender der Diskriminierung davon denke, ob das okay ist oder ob es nicht okay ist, wenn es die andere Person verletzt, ist es scheiße und dann sollte ich das nicht machen und das greift alles ineinander, die Prime Directive, das Vulnerability Based Trust, das wir besprochen haben, das Finger Pointing, es ging gar nicht darum, dass du gesagt hast, hey Tobi, Fabian, ihr seid mit Verlaub, sie sind zwei, sondern du hast gesagt, ich fühle mich verletzt, du hast eine Ich-Botschaft gesendet und dann konnten wir ins Gespräch reingehen, die Situation reflektieren und wie du gesagt hast, wir konnten alle drei, haben wir was übereinander gelernt, über unser Verhalten gelernt, haben gemerkt, hey unsere Antennen sind falsch justiert an der Stelle und unser Verhalten hat genau den gegenteiligen Effekt und es hat uns diese unangenehme Situation näher zusammengebracht.

Theo
Auf jeden Fall. Und hat es für mich auch aufgelöst. Tobi, du hast gerade noch aus meiner Sicht ein drittes Werkzeug genannt, was, glaube ich, hilft sozusagen, also diese gemeinsame Ebene zu finden. Und zwar hast du gesagt, ich habe eine Ich-Botschaft formuliert. Ich glaube, dass die Ich-Botschaft etwas ist, auf das wir sehr, sehr, sehr viel Wert legen und dass wir auch sehr genau darauf achten, wie wir Dinge formulieren. Können wir den Hörern vielleicht so ein paar Anhaltspunkte geben, Fabian, worauf man dabei achten sollte, wenn man miteinander auf einer Ebene spricht, die tendenziell verletzend sein kann?

Fabian
Ich kann es mal versuchen, also der vermeintliche Fehler, der ja gern gemacht wird, ist zu sagen, du hast dies und das gesagt, du hast dich so und so verhalten, dies und das kann man nicht so und so machen und das, was Tobi ja schon gesagt hat, das hat ja zwei Komponenten, das eine ist der, in der Kommunikation der Sender und das andere ist der Empfänger und das Interessante, um sowas anzusprechen, ist dann immer der Empfänger bei dem in irgendeiner Weise was angekommen ist und das formuliere ich ganz gezielt als ich, bloßhaft, dass ich sage, okay, bei mir ist das gerade angekommen, so und so und also man nimmt diese, wie soll ich sagen, man nimmt die Aussage, wandelt sie so, um dass sie aus der eigenen Perspektive kommt und man versucht nicht den anderen anzugreifen, also nicht im Sinne von angreifen, sondern es kann dann rüberkommen, wie wenn du hast so und so gesagt, dann fühlt derjenige sich ja eher, wie soll ich sagen, führt das eher zu verhärteten Fronten als zu einer Auflösung dieses Konflikts und wenn ich das aus meiner eigenen Perspektive formuliere, wie ich empfand, dass es angekommen ist oder was es für ein Gefühl in mir ausgelöst hat, dann kann man darüber sprechen und das nimmt auch so ein bisschen die, ja, damit fokussiert man das nicht auf den Sender der Nachricht und lässt ihn, wenn das vielleicht unangenehm ist, dann blöd darstellen, das will man ja verhindern.

Tobias
Kern gewaltfreie Kommunikation, was wir da machen, das hatte ich jetzt vor ein paar Wochen mit meiner Mutter, da bin ich mal draufgekommen, weil sie dieses Wort benutzt und ich habe sie gefragt, was bedeutet das denn, und das ist genau der Kern davon, was du gerade beschrieben hast, Fabian, seine Wahrnehmung zu artikulieren, zu sagen, was das mit einem gemacht hat und eben das nicht als Angriff zu formulieren, du hast das so und so gemacht und deswegen bist du und so weiter.

Theo
Jetzt haben wir quasi eigentlich, ich würde mal sagen, so drei sehr starke Werkzeuge gefunden. Also zum einen die Prime Directive, zum anderen Vulnerability Based Trust und zum dritten die ich Botschaften. Jetzt könnte der geneigte Hörer, die geneigte Hörerin ja gegebenenfalls sagen, naja gut, Sandstorm, ich hab jetzt schon, hab ja ein bisschen von Sandstorm gehört, die sind ja eh keine Hierarchien großartig und die begegnen sich alle auf Augenhöhe, da funktioniert sowas, aber einen Schritt weiter gedacht, kann Tobi sowas aus deiner Sicht auch in Unternehmen funktionieren, die sag ich mal deutlich hierarchischer strukturiert werden oder lassen sich Teile dessen, was wir hier machen, da sinnvoll integrieren.

Tobias
Ich würde mir natürlich wünschen, ich wünsche mir, dass ganz viele Unternehmen dieses Weltbild, dieses Menschenbild für sich einnehmen und diese, wie soll ich sagen, diese Sicht auf die Welt ist völlig unabhängig davon, ob das jetzt Sandstorm ist oder ein anderes Unternehmen oder eine Gruppe, ein Verein oder sonst irgendwas, sondern es geht ja ganz grundsätzlich auf die Ebene, wie interagieren wir Menschen miteinander und wie wollen wir, dass das mit uns umgegangen wird. Und das ist, glaube ich, völlig unabhängig vom Kontext, in dem wir uns bewegen. Also gewaltfreie Kommunikation wird ja von ganz, ganz vielen Trainern und Coaches für Teams, für Einzelpersonen angeboten und wird auch in ganz vielen Organisationen geschult, um diese Spitze rauszunehmen, die oft in der Kommunikation unternehmen herrscht, weil eben Fingerpointing betrieben wird, weil nicht zuerst davon ausgegangen wird, dass jemand nach seinem besten Wissen und Gewissen gehandelt hat, sondern ich denke, warum hat er denn schon wieder absichtlich diesen Fehler gemacht oder diese Situation für mich so blöd gemacht und wenn das mehr Einzug halten würde, dann passiert mehr Kommunikation auf Augenhöhe und das kann ein Schritt sein auf der Transformation hin zu menschlicheren Unternehmen.

Theo
Das finde ich spannend, Fabi. Vielleicht hast du eine Idee. Im Umkehrschluss denkst du, dass es Systeme oder Dinge in Unternehmen gibt, die ein, sage ich mal, negatives Verhalten oder negative Kommunikation incentivieren, also die quasi aktiv es verhindern, dass wir dieses Menschenbild formen?

Fabian
Da gibt es sicherlich ganz subtile Mechanismen auch. Also wenn ich jetzt mal spontan drüber nachdenke, könnte eines sein, was ich mitunter auch schon erlebt habe. An irgendeiner Stelle ist was schiefgelaufen, ganz klassisch. Und jetzt der Chef weiß noch nichts davon, der klassische Chef. Und an irgendeiner Stelle bekommt es jemand mit, dass es in irgendeinem, wie soll ich sagen, dass da was schiefgegangen ist. Dann wird es dem Chef übermithält oder gepetzt, hat man ja früher mal gesagt. Und dann gibt es ein Gespräch mit dem Team und dem Chef. Und dann haut der Chef auf den Tisch und sagt, so geht das nie. Mir ist jetzt so angekommen und so weiter und so fort. Und das müssen wir jetzt ändern. Blabla, blabla. So. Und wenn. Wenn das nach wie vor so funktioniert, dann. Habe ich natürlich eine gewisse Incentivierung, dass derjenige, der jetzt weiß gar nicht, ob es ein besseres Wort für gepetzt gibt. Soll nicht. Also vielleicht gibt es noch ein besseres. Der, wenn das für eine Incentivierung sorgt, in welcher Form auch immer. Also er kriegt jetzt sicherlich keinen Bonus dafür. Aber vielleicht kriegt er ein paar seelische Streichleinheiten, dass er das gesagt hat. Und die anderen fühlen sich das Team, was es betrifft, fühlt sich jetzt schlecht. Dann, wenn das nach wie vor so ist, dann kann ich auch dieses andere, ja, diese andere Methode nicht nicht ins Leben rufen, wenn. Wenn das nach wie vor genauso vonstatten geht. Wenn der Chef aber mal sagen würde, hier, pass mal auf, das geht so nie, dass du mir hier versuchst, hintenrum Informationen zukommen zu lassen, die dieses Team betreffen. Wenn man den Schutzpatron des Teams eigentlich ist, dann gibt es auch keine Incentivierung. Und dann lohnt sich dieses Verhalten plötzlich nicht mehr. Und dann kann es natürlich schon in absehbarer Zeit funktionieren. Es braucht natürlich viel, wie soll ich sagen, viel Zeit und Energie, dieses doch schon antrainierte Verhalten zu ändern. Ganz klassisch, wie mit jedem Verhalten.

Theo
Also siehst du in einem eher hierarchisch strukturierten Unternehmen quasi, ich nenne es jetzt mal, Autoritäten in einer größeren Verantwortung als, sage ich mal, die anderen Kollegen oder...

Fabian
Naja, also da hat schon jeder selbst Verantwortung dran, dass jetzt, weiß ich nicht, es ist schwer zu sagen. Also die Führungskraft hat da schon eine gewisse Verantwortung drauf, irgendwie so die Schützen der Hand drüber zu halten, über ihr Team und dann nichts rankommen zu lassen. Und natürlich darf das Team in sich, muss natürlich auch irgendwo füreinander einstehen. Und je größer die Organisation ist, umso schwieriger wird das natürlich.

Theo
Tobi, du wolltest da eingrätschen gerade? Tobi, du wolltest da eingrätschen gerade?

Tobias
Ja, ich wollte das ganz klar bejahen, also Führungskräfte haben da eine ganz, ganz wichtige Funktion, nämlich eine Vorbildfunktion, auf die wird geschaut, wie verhalten die sich und das Verhalten, das die an den Tag legen, wird als Norm in der Gruppe und in der Organisation wahrgenommen und wenn, ja, Verhalten wie Fingerpointing, wie, wenn ich etwas dem Chef etwas Schlechtes erzähle, was für mich positiv, was mich in einem positiven Licht dastehen lässt und das funktioniert im Sinne von, ah, dann kriege ich eine Belobigung oder dann wird das positiv ausgelegt, dann schaffe ich mir genau dieses Verhalten und insofern ist meine Antwort ganz klar, ja, Führungskräfte haben da eine ganz, ganz entscheidende Rolle.

Theo
Gibt es, Tobi, aus deiner Sicht sonst noch weitere Mechanismen, die da mit reinspielen?

Tobias
Diese Techniken, die wir jetzt besprochen haben, die haben so dieses Vorurteil, haftet den an, das sind ja so weiche Faktoren und wenn wir uns jetzt mit Retrospektiven beschäftigen, wenn wir uns so eine schöne, schön klingende Prime Directive an die Wand hängen und Menschenbild haben, wenn wir sagen, wir wollen kein Fingerpointing, sondern wir wollen Vulnerability Based Trust, also Vertrauen basierend auf Verletzlichkeit, dann beschäftigen wir uns ja nur noch mit uns selbst. Wir sind doch ein Wirtschaftsunternehmen, da ist es doch wichtig, wir müssen Probleme schnell erkennen, wir müssen die schnell beheben, wir müssen uns gegen unsere Konkurrenz am Markt durchsetzen, da kann man nicht weich sein, da muss man auch mal Härte zeigen und diese ganze Narrative und ich glaube, was sich für mich ganz klar rauskristallisiert und was auch Untersuchungen, also Studien immer wieder zeigen ist, das, was sich so langsam anfühlt, dieses Aufbauen des Vertrauens im Team, das Suchen nach den eigentlichen Ursachen, das führt eigentlich dazu, dass das Team sich viel, viel besser auf die eigentliche Arbeit konzentrieren kann, viel mehr Kopffreiheit, um die Probleme, vor denen es steht, zu lösen, für die Kunden da zu sein, mit einer positiven Haltung und Einstellung und Kommunikation nach außen zu kommunizieren und der Spruch mit Menschen ist schnell langsam und langsam schnell drückt es für mich wieder aus. Also diese Zeit, die ich mir nehme, um im Team dieses Vertrauen zu schaffen und dieses Menschenbell zu kommunizieren und dann als Führungskraft auch dafür zu sorgen, dass das eingehalten wird, also wenn dagegen verstoßen wird, dann muss ich deutlich machen, dass das schlecht ist, dann führt es dazu, dass das Team insgesamt viel, viel schneller wird.

Theo
Also sprich, wieder wirtschaftlich wird oder vielleicht sogar wirtschaftlicher als zuvor.

Tobias
eigentlich viel wirtschaftlicher. Das zeigen Untersuchungen immer wieder.

Theo
Das finde ich eine sehr, sehr schöne Botschaft und eigentlich auch ein schönes Schlusswort. Habt ihr zwei noch etwas, was ihr gerne zu dem Thema unbedingt loswerden möchtet? Das scheint nicht so zu sein, also haben wir das wahrscheinlich relativ erschöpfend ausgedacht. Ich glaube, ich könnte mir vorstellen, spannend wird noch mal, vielleicht können wir das in einer weiteren Folge irgendwann noch mal durchdenken, was passiert, wenn man diese Methoden auch in den Alltag mit rein nimmt, das würde mich sehr interessieren, ob auch da wir sozusagen unsere Kommunikationsverhalten dadurch verändern können. Ich fand, das war eine super, super spannende Folge. Wenn, liebe Hörerinnen und Hörer, ihr irgendwie das Gefühl habt, oh Gott, da war was drin, ich möchte noch mal nachhaken oder dazu möchte ich was sagen oder ihr generell in den Austausch mit uns treten wollt, dann schreibt uns einfach via Twitter oder schreibt uns eine E-Mail. Ihr findet natürlich alle wichtigen Kontaktdaten in den Show-Notes und ansonsten kann ich mich nur bei den Hörerinnen und Hörern, bei Fabian und bei Tobi bedanken, das war eine super spannende Folge, es hat mir sehr, sehr viel Spaß gemacht und ich freue mich auf das nächste Sandpapier. Vielen Dank an euch.

Tobias
Sehr gerne.

Fabian
Oh doch noch einen Satz.

Theo
Hau raus.

Fabian
Ist mir gerade noch eingefallen: Don't look for bad people, look for bad systems.

Theo
Das können wir glaube ich so stehen lassen. Sehr, sehr guter Satz. Und ich habe es nicht stehen lassen. Na ja gut. Also vielen Dank. Also nochmal vielen Dank Fabian, vielen Dank Tobi.

Tobias
Sehr gerne. Vielen Dank.

Fabian
Danke Theo.

Theo
Bis zum nächsten Mal, macht's gut, ciao!